Menschen die mich gut kennen beschreiben mich als eine gut gelaunte, kraftvolle und hart arbeitende Person. Ich neige dazu, mich in Dinge reinzustressen, aber ich halte mich selbst durchaus für einen Optimisten, und hätte niemals gedacht dass ich vor meinem Abschluss am Sinn meines Lebens zweifle und mit dem Gedanken spiele, mir das Leben zu nehmen - aber so ist es gekommen.
Als ich mit dem studieren angefangen habe, habe ich mir so einen harten Zeitplan gesetzt, dass ich irgendwann kaum mehr Zeit zum Schlafen hatte. Ich habe Vollzeit studiert, hatte nebenbei 2 Jobs, habe meiner Mom nebenan im Alltag geholfen, bin 3-4 mal trainieren gewesen und am Wochenende feiern. So ging das eigentlich mein ganzes Studium und ich habe meinen Lebensstil eigentlich nie hinterfragt. Als ich dann noch ein Praktikum absolviert habe und währenddessen an meiner Abschlussarbeit saß, da begann der Druck langsam auf mir zu lasten.
Der Gedanke, dass ich in diesem Tempo weitergehen müsse um meine Ziele zu erreichen hat mich extrem gestresst. Ich habe mich die ganze Zeit angespannt gefühlt, als würden meine Nerven durchdrehen und habe mir Nachts im Bett so viele Sorgen gemacht, dass ich kaum mehr schlafen konnte. Nach ein paar Wochen konnte ich glücklich sein, wenn ich 3 Stunden pro Nacht abbekam. Ich konnte nichts mehr essen und habe in dieser Zeit ordentlich abgenommen. Ich bin nicht mehr feiern gegangen weil ich mich nicht mehr auf Gespräche mit anderen konzentrieren konnte und meine Gedanken ständig abgeglitten sind. Ich wollte aber auf keinen Fall meine Jobs und meine Pläne an der Uni aufgeben.
Ich war ständig müde und fühlte mich jeden Tag schwächer
Nachdem ich mich mehrere Wochen so schwach, aufgekratzt und mürbe gefühlt habe, begannen die Sorgen, dass ich diesen Lebensstil nicht mehr lange so würde fortführen können. Das hat mir echt Angst gemacht, weil sich mein Leben eigentlich nur um die Erreichung dieser Ziele gedreht hat, ich aber keine Freunde hatte, die mich in dieser Situation hätten auffangen können. Ich habe mich schrecklich einsam gefühlt und dachte, dass niemand etwas mit mir anfangen will, weil ich eine arrogante und wertlose Person bin. Das hat so viele Sorgen und Schmerzen ins Rollen gebracht, dass ich es kaum aushalten konnte. Ich dachte, dass ich diese grauenvolle Situation beenden könnte, wenn ich mir das Leben nehme, und dachte, dass das die einzige Lösung ist, die mir noch bleibt.
Glücklicherweise habe ich vorher doch noch nach Hilfe gesucht und ich bin mit meinem Therapeuten diese Gedanken angegangen. Es hat viel Zeit und Mühe gekostet, meine verzerrten Annahmen über mein Leben wieder zu relativieren, und zu erkennen, was mich im Leben wirklich glücklich macht: Akzeptanz, angenehme Tätigkeiten und geliebte Menschen um einen herum - was will man mehr? Dadurch, dass mir im richtigen Moment geholfen wurde, konnte ich zu mir selbst zurückfinden: einer fröhlichen, enthusiastischen und lebenslustigen Person. Ich konnte trotzdem meinen Abschluss fertig bekommen und mir wurde ein wunderbarer Job im Ausland angeboten, den ich sehr genieße. Ich bin so froh, dass ich im schlimmsten Moment den Mut dazu hatte, um Hilfe zu bitten, weil es mich zu einer stärkeren und ausgeglicheneren Person gemacht hat, als ich je gedacht hätte.
Lucas, 27